Zugang zum Grundstück willkürlich gesperrt – Notwegerecht könnte helfen – Ein Fall aus dem Lehrbuch des Grundstücksrechts

Oft führen Urteile zu merkwürdigen Ergebnissen. Und oft könnten diese Ergebnisse verhindert werden. Ein Beispiel aus dem Grundstücksrecht: Ein Kölner Ehepaar darf aufgrund eines langwierigen Streits mit einer Immobiliengesellschaft die Straße vor seiner Haustür derzeit weder betreten noch befahren.

Ein Fall aus dem Lehrbuch des Grundstücksrechts

Oft führen Urteile zu merkwürdigen Ergebnissen. Und oft könnten diese Ergebnisse verhindert werden. Ein Beispiel aus dem Grundstücksrecht: Ein Kölner Ehepaar darf aufgrund eines langwierigen Streits mit einer Immobiliengesellschaft die Straße vor seiner Haustür derzeit weder betreten noch befahren. Dies hat das Amtsgericht (AG) Köln, Urteil vom 03.01.2024, Az. 149 C 520/23, verfügt und ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Wochen festgesetzt.

Die Entscheidung ist der vorerst letzte Akt in einer Prozessserie, die lehrreich für das Wegerecht im Besonderen und das Grundstücksrecht im Allgemeinen ist. Zum Verständnis: Die Straße, die zum Grundstück führt und die das Grundstück der Eheleute mit dem dem Straßennetz verbindet, ist eine Privatstraße. Sie gehört der Immobiliengesellschaft. Zunächst mussten Gasleitungen verlegt werden, um das Grundstück an das Gasnetz anzuschließen. Die Erlaubnis hierfür setzte das Ehepaar gerichtlich durch, das AG Köln und das LG Köln verfügten, dass das aufreißen der Straße zu dulden ist, um eine Gasleitung zu verlegen. Das ist nachvollziehbar und das würde auch von anderen Gerichten so entschieden werden, wenn es die einzige oder die einzig vernünftige Anschlussmöglichkeit ist.

300 Euro statt 18.300 Euro: Nutzungsentschädigung gerichtlich festgestellt

Doch die Immobiliengesellschaft hatte eine Retourkutsche parat. Sie untersagte daraufhin den Eheleuten, auf der Straße zu parken. Natürlich gerichtlich. Auch diese Entscheidung des AG Köln ist nachvollziehbar, schließlich ist das Eigentumsrecht ein hohes Gut. Zudem forderte die Immobiliengesellschaft eine Nutzungsentschädigung iHv 18.300 Euro pro Jahr. Hier fällt das Gericht ein salomonisches Urteil: Zwar sprachen die Kölner Robenträger eine Nutzungsentschädigung zu, allerdings reduzierten sie die Höhe drastisch auf lediglich 300 Euro jährlich.

Inzwischen stehen Poller an der Straße, die das Durchfahren verhindern (sollen). Manche Anlieger sollen laut Informationen des Kölner Stadtanzeigers Schlüssel für die Zufahrt erhalten haben, andere – wie z.B. die Eheleute – aber nicht. Dennoch nutzen sie die Straße weiter und es kam wie es kommen musste. Ein Handwerker, den die Eheleute bestellt hatten sowie die Ehefrau beschädigten einen der Poller. Daraufhin erging nun die Unterlassungsverfügung. Auch das ist streng genommen richtig: Denn das unbefugte Benutzen eines Weges ist eine Besitzstörung. Wer entgegen eines Verbots handelt ist dann rechtlich gesprochen „unmittelbarer Handlungsstörer“, im Fall des Handwerkers gelten die Eheleute als „mittelbare Handlungsstörer“.

Gegen Entschädigung können Gerichte ein Notwegerecht zusprechen

So unsinnig das klingt, aber im Fall einer solchen Privatstrasse können erst einmal auch unsinnige Verbote ausgesprochen und durchgesetzt werden. Aus eine Ungleichbehandlung der Anlieger ist möglich – wenn auch schwer nachzuvollziehen. Helfen könnten den Eheleuten allerdings das sogenannte Notwegerecht, geregelt in § 917 BGB. Geregelt ist dort gegen Entschädigung: „Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.“

Hinweis zur Unterlassungsverfügung: Zwar wird im Verletzungsfall eine Strafe fällig. Doch die Drohung mit Ordnungshaft oder 250.000 Euro Ordnungsgeld klingt ersteinmal schlimmer als es in der Gerichtswirklichkeit oft ist. Zwar werden regelmäßig Ordnungsgelder verhängt beim Verstoß gegen Unterlassungsverfügungen – also sollte man solche Unterlassungsverfügungen durchaus ernst nehmen – allerdings fallen diese beim ersten Verstoß meist moderat aus. Das niedrigste Ordnungsgeld, das ich in meiner Anwaltspraxis erlebt habe betrug 500 Euro.

RA Tobias Sommer

Ich bin seit 2003 als Anwalt im Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt im Bereich des Immaterialgüterrechts tätig. Ich habe an Fachkommentaren mitgearbeitet, zahlreiche Fachtexte veröffentlicht und habe praktische Erfahrungen als Journalist in den Bereichen Print und Fernsehen, u.a . war ich 10 Chefredakteur des Anwaltsmagazins AdVoice. Neben meiner anwaltlichen Tätigkeit bin ich Dozent und Journalist sowie ehrenamtlich für die IHK Berlin als Vorsitzender der Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten tätig. Im Jahr 2021 habe ich das Notarexamen abgelegt und bin seitdem auch anwaltlicher Ansprechpartner für alle notariellen Themen.